05/2025
Richtig gehört. Am Ende hat es doch noch geklappt, und ich wurde angenommen! Für 1.5 Monate würde ich mich um Pferde kümmern und Ausritte mit Touristen machen, im Gegenzug bekomme ich eine Unterkunft und wöchentlich Geld für Lebensmittel.
Tag 1. Ich kam an, bekam eine Tour und die anderen Volunteers (Freiwilligen) wollten dann noch einen Ausritt machen. Natürlich komm ich mit. Mein Pferd? Der größte Sturkopf aller Zeiten. Wir sind gar nicht miteinander klar gekommen. Sein Trab und Galopp sind irrsinnig ungemütlich, liegt vielleicht am Sattel, er hatte einen ganz komischen. Eine der anderen Mädels ist einen 3-jährigen Wallach geritten, der noch nicht fertig trainiert ist, und völlig verrückt war. Wie soll ich es hier aushalten? Was bitte ist das für ein Ort? Wenn ich 24 Stunden schaffe, übertrifft das alle meine Erwartungen.
Tag 2. Vielleicht doch nicht so schlimm. Ich war mit meiner zugeteilten Mentorin unterwegs, erst mussten wir 3 Pferde füttern, die so dünn sind und für die Gras allein nicht reicht. Das bedeutet: Eimer mit Mais füllen, gemütlich dort hin spazieren, die 3 Pferde rausholen und fressen lassen. Leider nicht ganz so einfach, denn auf dem Feld sind 10 Pferde und natürlich wollen alle fressen. Die streiten sich also darum, versuchen, alle zu entkommen, und du stehst da mittendrin. Aber hey, wenn sie dann endlich mal fressen und du die knuddeln kannst und die Aussicht und die Sonne genießt, dann ist es herrlich. Vielleicht wird‘s ja doch nicht so schlimm.
So in etwa ging‘s weiter, bis ich dann bald mal die Pferde alleine füttern hätte sollen. Ich ging also hin, hab‘s versucht und gleich festgestellt, dass ich das nicht pack – oh shit. Es folgte ein sehr unangenehmes Gespräch mit meiner Chefin und den anderen Volunteers, die zum Glück alle total verständnisvoll und geduldig mit mir waren. Ich hab ja auch von Anfang an gesagt, dass ich kaum Erfahrung mit Pferden hab.
Was fällt sonst noch an? Zelte putzen, Äpfel sammeln, Garage kehren. Alles kein Problem.
Tief unten schlummert halt immer noch eine Panikstörung – ein Wespenstich löst eine Panikattacke der Superlative aus, so eine, wie du sie schon lang nicht mehr hattest. Eine Stunde später fühlst du dich bereit, zurückzugehen. Die Pferde werden grad für den Ausritt vorbereitet. Du gehst zum erstbesten Pferd, der Stute, die dich nicht besonders mag, sie nimmt den Apfel und dreht sich weg. Sie legt ihren Kopf auf deine Brust, du denkst, dass da was nicht stimmt und gehst einen kleinen Schritt zurück. Sie macht es wieder. Du nimmst ihren Kopf in beide Hände, vor einer Stunde noch unvorstellbar, und so bleibt ihr dann für bestimmt 5 Minuten stehen, während du dir die Seele aus dem Leib heulst, sie ihren Kopf immer fester gegen deine Brust drückt, und erst damit aufhört, wenn du dich beruhigst. Du bist völlig fasziniert und versuchst die anderen Pferde – ähnlich. Der eine, der immer grob, dumm und nervig ist, stupst dich an und lässt sich knuddeln. Wow.




Einige der Pferde bekamen eine längere Pause – die sind war also alle gemeinsam 2 Stunden entfernt zu einem Feld geritten. Das war ja mal herrlich. Das Feld hatte auch einen Ausblick auf den Vulkan. Wir sind noch ein paar Runden galoppiert. Als wir warteten, immer noch auf den Pferden, hat sich ein‘s plötzlich entschieden, böse auf mein Pferd zu sein, sich gedreht und mit beiden Beinen getreten – natürlich mich an der Wade erwischt. Glimpflich, zum Glück, mir ist gar nix passiert. Mein erster Gedanke: Meine Trainingskollegen treten härter, und die haben 10% vom Gewicht vom Pferd.
Dann kam der Tag – die Mädels sind umgezogen, waren jetzt also nicht mehr in Oma‘s Garten. Der musst natürlich gereinigt werden. Meiner Rechnung nach kackt ein Pferd pro Tag eine Schubkarre voll. 3 Stunden lang hab ich Scheisse geschaufelt und kann jetzt sagen, dass das eine der anstrengendsten Arbeiten überhaupt ist.
So ging‘s also. Täglich merkte ich, dass ich mich etwas wohler fühle im Umgang mit den Pferden. In meiner 5. Woche bin ich dann auch schon allein rüberspaziert und hab 3 Pferde gleichzeitig mitgenommen – das macht man in Chile nämlich auch, man bindet die einfach zusammen und hofft auf das Beste. Geht nicht immer gut:
Einmal hab ich 2 Mädels zurückgebracht, die sich gar nicht gern mögen. Ich hab also das Tor hinter ihnen geschlossen, und in der Zwischenzeit sind die aufeinander los, und mal elegant davongoppiert. Glücklicherweise nicht auf der Straße. Ich bin ihnen also nachgerannt und hab die beiden halt einzeln zurückgebracht.
Am gleichen Tag, nach 8 Stunden Arbeit, merkten wir dann noch, dass eines der Pferde wohl entkommen ist und ganz verzweifelt ruft. Ich bin ihn also suchen und fand ihn nach 20 Minuten Wanderung bergauf, keine 50 m vom Tor entfernt. Er sieht mich, und rennt. Ich hinten nach, mit Vollstoff durch den Wald. Dann steht er da, wo mal ein Tor war – jetzt aber nur noch ein Elektrozaun. Gut. Ich hab ihm also das Seil umgelegt und mir in die Achsel gesteckt, normal reicht das. Dann hab ich den Zaun geöffnet, mein bestes versucht, nicht gegrillt zu werden. Kaum lag die Schnur am Boden war der Wallach weg. Wieder mit Vollstoff durch den Wald, diesmal aber mit Seil um den Hals. Ich bin ihm also wieder nachgerannt, diesmal noch schneller, in der Hoffnung, dass er sich nicht stranguliert oder irgendwo hängen bleibt oder was auch immer noch passieren kann. Er hat dann am Tor zur Straße auf mich gewartet, da hab ich ihn dann endlich erwischt und zum richtigen Feld bringen können.



Immer wieder durfte ich auch auf die Ausritte mit den Touristen mitgehen, quasi als 2. Guide. Mein Job war dann, vom hinteren Ende des Gänsemarschs sicherzustellen, dass es jedem gut geht, dass keiner verloren geht, die Leute zu unterhalten und die Tore zu schließen. Das mit gewissen Pferden übrigens richtig einfach geht, weil die wissen, was sie machen müssen! Andere muss man halt einfach mehr manövrieren und dann klappts irgendwann auch. Mit einem Pferd hab ich‘s gar nicht geschafft, aber was solls.
Tatsächlich war das der weniger spaßige Teil der Arbeit. Man glaubt gar nicht, wie dumm Menschen sind. Hier ist es wirklich fein – vor jedem Ritt gibt es eine halbe Stunde Einführung. Es wird ganz genau erklärt, wie man auf die Pferde zugeht, sich mit ihnen verhält, und natürlich wie man hier reitet – das wird auch gezeigt. Hier ein paar meiner Highlights:
Ein junger Typ auf einem der bravsten, einfachsten Pferde aller Zeiten. Einziges Manko: Sie ist langsam und muss ein bisserl mehr getrieben werden. Er sitzt da und tut gar nix. Ich bin hinter ihm, und plötzlich verlässt er den Weg und kann nicht mehr umdrehen. Ich sage ihm, er soll sie bitte zurücksteuern. Er fragt mich, wie (also das, was lang und breit erklärt wurde, und was er nach einer halben Stunde reiten eigentlich zumindest mal versucht haben sollte. Das ist übrigens ganz einfach: Zügel sind in einer Hand. Zügel nach links, Pferd geht nach links. Rechts eben umgekehrt). Im Endeffekt musste ich ihn zurückbringen. Mein Pferd und seins haben sich aber überhaupt nicht verstanden, also musste ich absteigen, mein Pferd wo anbinden, ihn zurückbringen und weiter gehts…
Ein Mädel auf einem ebenso einfachen Pferd. Dauernd bleibt sie stehen und kann ihn dann fast nicht mehr starten. Ich sage ihr, sie soll bitte gleich ein bisl kicken, wenn sie merkt, dass er langsamer wird. Sie sagt, nein, er macht einfach kurz eine Pause, soll er doch wenn er will. Es hat mir alles abverlangt, ihr in dem Moment nicht einfach zu sagen, gut, dann bleib doch hier und tu was du willst, du wirst schon noch merken dass das Pferd mit dir spielt und irgendwann einfach losrennt und du dann keine Kontrolle mehr hast.
Eine Frau hatte Schwierigkeiten beim Lenken. Ich sage ihr, sie soll die Zügel etwas kürzer nehmen, dann ist es einfacher. Sie guckt mich an, sagt aha, und tut nix. Nach 3x erklären hab ich dann aufgegeben.
Wieder ein Herr auf einem langsamen Pferd – die kriegen die Leute immer, die zum ersten Mal auf einem Pferd sitzen. Er hält die ganze Gruppe auf. Meine Chefin holt die Machete raus und schneidet einen kleinen, dünnen Ast mit Blättern ab – wenn er den um ihren Hintern wedelt und vielleicht mal kurz draufklappst, wird sie schneller gehen. Er nimmt den Ast und trägt ihn den restlichen Ritt, als hätte man ihm eine Rose gegeben. Mehr als 2x hat er es nicht verwendet, und wir mussten den Ritt im Endeffekt abkürzen.
Andererseits: Einmal war ein 8-jähriges Mädel da. Auf der kürzesten Stufe hat sie fast nicht in die Steigbügel gepasst. Die hatte null Angst, sie hat es geliebt und war sooo aufgeregt. Das Pferd, das man ihr gegeben hat, war das langsamste aller Pferde. Mit der Kleinen ist die Stute gerannt, hat sich perfekt steuern lassen, war richtig richtig brav. Wenn man also zusammenarbeitet und dem Pferd mit Liebe begegnet, ist alles möglich.



Ein herzliches, großes DANKE an alle, mit denen ich diese Zeit verbringen durfte <3 Danke für die Geduld, für die Nachsicht, alles, was ihr mir gelernt habt, jedes Lachen und alles andere.
Und natürlich an die Tiere.
Mishu, der mich beinahe zu einem Katzenfreund konvertiert hat.
Oso, der Collie, der ständig um Bootyscratches bettelte. Und natürlich Penny, der Schnauzer, die manchmal auch hi gesagt hat.
Amaray – die ängstliche Stute, deren Vertrauen ich gewonnen hab, nachdem ich sie zum ersten Mal geritten bin. Sie WILL arbeiten. Sobald man auf ihr sitzt, ist sie 110% für einen da. So ein tolles Pferd.
Antuco – Startschwierigkeiten beiseite, wurden wir nie Freunde. Er ist halt grob und respektiert einen wenig. Aber doch irgendwie süß.
Arauco – der 800 kg Teddy, den jeder mit Babystimme und Ach Arauciiiiiiii begrüßt, und der mich einmal vor lauter Freude über Knuddeln fast ausgeknockt hat.
Aukan – mein mentaler Support, mein Seelenpferd.
Canela – die verletzte Stute, die ich so oft gepflegt hab. Die arme Maus hat täglich solche Schmerzen, aber freut sich immer, wenn man zu ihr kommt, und ist auch richtig verschmust.
Casanova – der „schönste“ von allen. Stimme ich zu? Nein, aber hübsch ist er schon. Und richtig lieb, angeblich toll zu reiten und mega gechillt.
Castaño – ebenso ein Knuddelbär. Riesig, wunderschön, und nicht für unerfahrene Reiter wie mich geeignet.
Ceniza – die wunderschöne Stute, die leider relativ viel gemobbt wird. So sensibel, die hat mir ein paar mal Tränen in die Augen gebracht. Manche Pferde gucken einem einfach direkt in die Seele, und sie ist so eins.
Chamanto – wunderschön, super lieb und richtig toll zu reiten.
Chilca – die kleine Maus ist über 20, aber die RENNT! Macht richtig Laune, sie im Galopp gehen zu lassen.
Hechicera – die wunderschöne Stute mit der längsten Mähne, die ich je gesehen hab. Sie war die, die ich nach meiner Panikattacke geknuddelt hab.
Lican – der alte Wallach, den nichts aus der Ruhe bringt, mit dem Dinosauriergesicht, der einfahc schon alles gesehen hat. So ein süßer.
Lucero – hab ihn nur einmal getroffen, und bin ihn dort auch geritten. Tolles Pferd.
Lupita – das erste Mal, das ich ein Pferd ganz allein von der Koppel geholt hab. Sie war toll.
Mechaico – Ein Arschloch zu Pferden, nett zu Menschen. Schwer zu fangen – ich hab ihn tatsächlich beim ersten Versuch geholt.
Melian – meiner Meinung nach der schönste von allen. Ein Golden Retriever in Pferdeform. Tolles Pferd. Hat Angst vor Elektrozäunen, weil ihn mal ein dummer Tourist mit den Zügeln dort angebunden hat und er natürlich dauernd direkt ins Gesicht geschockt wurde.
Meulen – Der „Loco“. 3 Jahre jung, noch nicht wirklich fertig trainiert. Nichts für mich, aber wenn man ihn nicht reitet, ist er super nett.
Nehuen – Spirit im echten Leben. So ein tolles Pferd, bin ihn 3x geritten. Ganz viel Liebe!
Paloma – hat die größten, süßesten Ohren, die ich je gesehen hab.
Panul – einziger Kontakt mit ihm beim Putzen und Satteln. So ein Knuddelbär! Merke: Nicht am Ohr berühren. Meine Freundin hat er in die Lippe gebissen.
Pehuen – ebenso nur geputzt und gesattelt, er hat konstant die Ohren hinten und mich von der Seite angeschaut, hat sich aber unter Kontrolle gehalten. Hm.
Petiza – kann nicht wirklich viel über sie sagen, hatte nichts mit ihr zu tun. Aber sie bekam so ein samtiges Winterfell, so hübsch!
Poncho – kenn ich ebenso nicht gut, aber ist wunderschön und irrsinnig schlau.
Puelche – der Bruder von Pehuen, aber kein Vergleich. Er ist einer der süßesten, ruhigsten Pferde.
Quimey – der freche, superschlaue Bub, der mich in den Hintern gebissen hat, immer genau zukuckt beim Satteln, und der durch Elektrozäune rollt, als hätte er im Leben nichts anderes getan.
Sombra – die 25-Jährige Dame, die gerne knuddelt und supersüß ist.
Suyai – beisst gerne. Hab nichts mit ihr zu tun gehabt, aber sie ist angeblich großartig zu reiten.
Talcan – der, vor dem ich Schiss hatte bis 3 Tage vor Abreise.
Yafun – der alte Herr mit dem coolsten schwabbelbauch und einem Loch in der Nase. Super lieb.






