03/2025
Ich bin ja der festen Überzeugung, dass man irgendwann Mitte 20 morgens aufwacht und von da an tun di Knie beim Bergabgehen weh. Ich hab mal grob drübergerechnet – in den letzten 3 Wochen hab ich ca. 8-9000 Höhenmeter gemacht. Kein Wunder, dass die jetzt etwas mitgenommen sind…
Aber gut, Schluss mit jammern. Lass mich erzählen, was in den letzten Wochen so passiert ist.
Die ganze Reise hat sich eigentlich darum so ergeben, weil ich den O-Trek in Torres del Paine, Chile, so gerne machen wollte. Das wären 8 Tage wandern in Patagonien, in einer der schönsten Landschaften der Welt. Nachdem 4 Monate vorab aber wohl lange nicht früh genug ist, um die Campingplätze zu reservieren, musste ich umschwenken und fand noch einen Platz auf dem W-Trek – der ist die bekanntere Hälfte vom O und heißt so, weil man in Form eines Ws läuft.
Nun, ich bin in Puerto Natales gelandet, fand mich endlich in der Art von Landschaft, die ich seit Jahren auf Bildern anschaute und mich in Gedanken hierherbeamte, und hatte zufälligerweise das Hostel ausgewählt, in dem der Eigentümer alle möglichen Tipps für mich hatte – wobei, niemand kommt hierher ohne in den Park zu wollen, also vermutlich wär‘s überall so gewesen.
Ich war ganz schön nervös. Immerhin hab ich sowas noch nie allein gemacht, bzw. auch nicht mit anderen Leuten. Ich wusste nicht, wie viel Essen ich brauchte, was passieren würde, ob ich es schaffe, was ich tun muss, wenn ich einem Puma (!) begegne… Diego hat mich perfekt aufgeklärt und ist mit mir in Ruhe jedes noch so kleine Detail durchgegangen.
Die Dame, von der ich das Zelt usw. ausgeborgt hab, hat mir netterweise auch noch geduldig gezeigt, wie man so ein Zelt eigentlich aufbaut. Top-vorbereitet, sag ich ja.
Man glaubt es nicht, aber das Angebot an Fertigmahlzeiten hier ist begrenzt. Die Auswahl in den Supermärkten wahr Hühner-Rahmen, was für mich als Vegetarierin etwas ungünstig ist, und Nudeln mit Käsegeschmack um 1.50€, denen ich genauso wenig vertraut hab. Ich hab mir also Mahlzeiten aus dem Camping- und Wanderladen für fast 15€ pro Portion für’s Abendessen gegönnt… Frühstück waren vorabgefüllte Portionen Haferflocken mit Milchpulver, Trockenfrüchten, Nüssen und Erdnussbutter. Mittags gab‘s Tortillas mit Käse und/oder Erdnussbutter und tagsüber snackte ich ebenso vorbereitete Beutel mit Keksen, Bananenchips, Schokolade, Proteinriegeln und einem Nussmix, dass hauptsächlich aus Erdnüssen bestand. Lustig, wie man Erdnüsse satt haben kann aber sofort nach dem Trek die Krise bekommt, weil man keine Erdnussbutter mehr für‘s morgige Frühstück hat…
An der Bushaltestelle hörte ich einen Österreichischen Akzent und dachte, die laber ich jetzt einfach mal an. Hab also gefragt, woher sie kommen – Er drehte sich sofort weg und tat, als hätte er mich nicht gehört. Sie flickte elegant ihr Haar hinters Ohr, sah mich von oben an, meinte „ooos Wiiiien“ und drehte sich ebenso weg. Puh, Kulturschock – hatte schon fast vergessen, dass Österreich laut Studie das unfreundlichste Land der Welt ist.
Zum Glück hab ich noch einen Iren getroffen, der super nett war, und der einen Deutschen kannte, der ebenso lässig war. Wir bauten also die Zelte auf und spazierten dann gemeinsam los zum ersten Aussichtspunkt, dem Gletscher. Das beste an dem Trek ist, dass man mit dem großen Rucksack eigentlich nur die flacheren Stücke laufen muss, und die Berge hoch kann man immer mit Tagesrucksack, oder, wenn man so unvorbereitet ist wie ich und 80% der anderen Trekker, mit Wasserflasche in der Hand und Snackbeutel in der Jackentasche machen.





Ich hab in der Vergangenheit Gletscher gesehen, aber noch nie so nahe. Scheinte, als würd der kein Ende nehmen! Wir starteten beim Camp um kurz nach 12, und es waren halt doch 4 Stunden pro Richtung, also konnten wir nicht lange bleiben. Ein Berg war die meiste Zeit hinter Wolken versteckt, aber kurz konnten wir einen Blick darauf erhaschen – es war wohl der höchste in der Region, die felsigen Spitzen durchgehend von Eis bedeckt, richtig beeindruckend.
Bitte beachte auch das Foto von dem einen Berg, der völlig mit Eis bedeckt ist – wir konnten nur für einen Moment einen Blick darauf erhaschen
Das erste Abendessen, Fussili mit Spinat und Gorgonzola, war wirklich nicht gut, und beriet mir Sorgen für die nächsten Tage. Wenn das immer so ist, würd ich noch ganz schön grantig werden.
Es folgte meine erste (schlaflose) Nacht im Zelt – es war super windig, und obwohl ich direkt neben einem Windschutz gecampt hab, sah ich am Morgen, dass die meisten Anker ausgebrochen und die Schnüre lose herumhingen. Aber gut, ich hab überlebt und bin nicht abgehoben.




Tag 2 war vermutlich der längste und anstrengendste Tag und auch der, an dem meine Knie etwas zum meckern anfingen. Frühstücken, Zelt abbauen, alles irgendwie systemlos in den Rucksack stopfen und los! Erstmal ein gutes Stück mit Rucksack, dann konnten wir den bei einer Rangerstation ablegen und wieder ohne hoch laufen. Ganz schön anstrengend, nach vielleicht 2 Stunden Schlaf und einer 8-Stunden-Wanderung am Vortag. Aber es lohnte sich total! Wir liefen vorbei an einem Berg, der dicht mit Eis bedeckt war, man hörte das Krachen vom Eis bis ins Tal. Es war ein herrlicher Tag, ich lief in T-Shirt und schwitzte dennoch. Schließlich kamen wir auf einer kleinen Ebene an, inmitten von Bergen. Ich legte mich auf einen Stein und gönnte mir eine halbe Stunde Nickerchen.
Schon schräg, dass man hier 3 Stunden lang wandert, um eine Tageswanderung zu machen, und dann nochmal 2 Stunden weiter zum Camp läuft. Diese Nacht war windstill, und ich war ohnehin so kaputt, dass ich fast wie ein Stein geschlafen hab. Oder wie eine Leiche, so ein Ein-Mann-Zelt hat schon recht viel von einem Sarg…




Tag 3 war dann der Tag, an dem ich zum ersten Mal alleine gelaufen bin. Meine Crew campte an einem anderen Ort, und wir waren nicht verabredet. Für 3 Stunden am Stück hab ich keine andere Person gesehen. Jedes Rascheln im Gebüsch und jeder Felsen in der Ferne ließ mich kurz stocken, könnte ja ein Puma sein, der Lust auf einen Snack hat.
Ich war hin- und hergerissen zwischen „Oh Gott ist das angsteinflößend“ und „Oh Gott ist das schön“. Irgendwann hab ich mich so gut es geht auf letzteres fokussiert, und bin den Hügel trällernd raufgeklettert. Bis ich plötzlich von hinter mir ein „Hola“ hörte und mich ein Trailrunner überholte. Wie peinlich, dass ich hier halb ersticke und noch dazu laut singe, während der gemütlich an mir vorbeirennt. Es gibt also doch noch andere Leute hier… der schien auch keine Angst vor Pumas zu haben, also ließ ich das jetzt auch endgültig fallen (denkste).
Die Aussicht an dem Tag war erste Klasse. Ich lief entlang einer blitzblauen Lagune, sah die dann von oben, spaziert noch an einer schwarzen Lagune vorbei, dann über etwas, was mich an Vulkangestein erinnerte, und schließlich kam ich im Camp an. Knie? Ziemlich tot zu dem Zeitpunkt. Herz? Voll bis oben. Energielevel? Frag besser nicht.




Eine weitere windstille aber sehr kurze Nacht im Zelt. Der Wecker läutete um 2 Uhr morgens. Schnell die Haferflocken runterdrücken, Stirnlampe auf, und los gehts – in Prime-Puma-Gebiet mitten in der Nacht. Ich wurde von einem dänischen Pärchen aufgegabelt, die im gleichen Tempo wie ich wandern und wir teilten Kekse und Tee. Der Weg war loser Fels, und ging fast die vollen 3 Stunden (die Mehrheit braucht wohl mindestens 4 Stunden, hust hust) richtig steil bergauf.
Als Belohnung durften wir dann an der Lagune im Dunkeln sitzen, der Wind war krass kalt, mir froren fast die Finger und Arschbacken ab. Die Sonne ging auf, aber es war bewölkt und wenig spektakulär. Ich fragte jemanden, ob er mir ein Beweisfoto machen könnte, und wollte dann wieder los ins Tal starten, als die Menge auf einmal jubelte und klatschte. Ich war völlig verwirrt. Heiratsantrag? Geburt?
Weder noch. Die Torres del Paine, Namensgeber des Nationalparks, erstrahlten plötzlich knallorange. Nach weniger als 2 Minuten war das Spektakel auch schon wieder vorbei, aber Junge, das war jeden Tropfen Schweiß und jeden Knall im Knie wert.
Über den Weg zurück sprechen wir besser nicht zu lange – Kurzfassung: Ich war zu dem Zeitpunkt auf 2 Ibuprofen, und hab trotzdem auf halbem Weg beschlossen, die Tränen jetzt einfach laufen zu lassen. Dazu kam noch der Frust über all die Tagestouristen, die sich in einer Schlange auf den Weg zu den Türmen machten, nicht grüßten und ihren blöden Hintern nicht zur Seite bewegen, wenn man aneinander vorbei muss.
Himmel, war ich froh, ein Bett zu sehen. Und eine Pizza zu essen – danke an den Hostel-Hund für die nette Gesellschaft. Ich fiel um 8 ins Bett, schlief bis ca 1 Uhr morgens, als 3 der 4 Leute im Zimmer dann wach waren, weil einer schnarchte wie eine Kreissäge und uns alle aufweckte. Es war mir wohl noch kein Schlaf vergönnt.
Am nächsten Tag stand dann der lang ersehnte Ausritt an – am Rande des Parks, über Stock und Stein, 3 Stunden lang. Herrlich, aber auch nicht gut für die Knie. Jetzt steht erstmal rasten an – mit einer Ausnahme…
Sorry auch dafür, dass ich den Horizont nicht, naja, ähm, horizontal gerichtet hab am letzten Foto, dafür reicht die Energie grad nicht. Nachdem ich diese 4-5 Tage überstanden hab, wirst du das auch überstehen 😀
Bussi & baba, bis bald!


