camp-fire-stories

Beschützerhunde, auf Vulkane kraxeln und mein Körpergewicht in Pizza essen

Lesedauer // reading time 6 Min.

02/2025

Merke: Um 6 Uhr morgens fährt in einer argentinischen Kleinstadt kein Uber… gut, dass ich früh genug fertig war und den 30-minütigen Fußmarsch noch einigermaßen stressfrei auf mich nehmen konnte.

Nach kurzer Zeit kam mir ein Straßenhund mit wedelndem Schwanz entgegen – er drehte um und tappte immer ein paar Meter vor mir her, schaute immer wieder zurück, als um zu schauen, ob ich eh noch da wär.

Kurz darauf bog ein Typ mit Kapuze um die Ecke, ich wollte die Straßenseite wechseln – sicherheitshalber, man weiß ja nie – als der Hund vor mir den Typen so laut anknurrte, dass der auf die andere Seite ging.

Ohne viel nachzudenken lief ich weiter, bis ich noch mehr Pfoten auf Asphalt hörte. Das war mehr als ein Hund – 3, und alle kamen stocksteif auf mich zu. Na bravo, die waren mir nicht besonders sympathisch… Wieder knurrte mein Begleiter die Hunde an, ich war diesmal aber mitten drin, und die knurrten zurück. Wenn da jetzt ein Kampf losgeht kann ich mir gratulieren. Ich wollte raus, um die Ecke, doch der eine Hund blieb immer an meiner Seite und die anderen folgten ihm – oder mir? Worauf waren die aus?

Es gab noch ein kurzes Geknurre und Gewinsel, dann hauten die anderen 3 Hunde ab. Mein kleiner schwarzer Begleiter lief unbeschwert weiter vor mir her. Kurz darauf bog er links ab – genau da, wo ich zur Busstation gehen muss.

Er wollte keine Streicheleinheiten. Er legte sich 3 m neben mir auf den Boden, döste vor sich hin und gähnte immer wieder wenn er aufsah, ob ich eh noch da bin. Als ich in den Bus stieg, schaute er mich an, winselte kurz, und tappte davon.

Die Busfahrt hätte eigentlich 4 Stunden dauern sollen. Leider brennt Patagonien aber zur Zeit, überall und richtig heftig. Wir mussten also über einen anderen Grenzübergang, und das dauerte insgesamt über 12 Stunden.

Ich döste in meinem Semi-Cama, es war immerhin noch sehr früh. Irgendwann erwachte ich, vermutlich nicht halb so elegant wie Dornröschen, als sich der Argentinier neben mir grad einen Mate gönnte. Ob ich auch will? Ja, bitte, klar doch! Matein, so nennt sich das „Koffein“ der „Yerba“, macht einen wohl auch munter. Und wenn ich mich jetzt auch noch auf Spanisch unterhalten soll, dann brauch ich das auch.

Irgendwann schweifte die Unterhaltung auf die Sitzplätze neben uns über – eine Deutsche und eine Norwegerin, eine davon sogar im gleichen Hostel wie ich. Sehr gut, denn als wir umsteigen mussten und ich nur kurz auf‘s Klo gedüst bin, war plötzlich mein Rucksack weg und alle Leute auch. Nach einem kurzen Herzstillstand kam eine der Mädels angerannt und erklärte mir, dass wir auf die andere Seite der Terminals wechseln mussten, und dass sie mein Zeug mitgeschleppt haben.

Am nächsten Tag verabredeten wir uns für eine Wanderung – die Norwegerin meinte, es wären 8 km, mit einem richtig tollen Ausblick auf 4 Vulkane. Natürlich sag ich da nicht sein.

Nun, ich dachte, es wären 8 km hin und zurück und packte entsprechend wenig Wasser und Snacks ein. Im Bus meinte sie dann, es seien 8 km pro Richtung und 1100 Höhenmeter. Na toll. Fehlkommunikation…

Nach 20 Minuten entlang eines recht flachen Forstwegs ging‘s dann krass steil bergauf – auf Sand natürlich, wie immer hier, sodass du 2 Schritte vor und einen zurück gehst.

Wir unterhielten uns aber die ganze Tour und gingen recht gemütlich, es war also recht gut machbar. Der Wald wurde immer dichter und veränderte sich – wir waren mitten in den Araukarien, Bäumen, die nur hier wachsen, die teilweise 5000 Jahre alt sind.

Wir füllten unser Wasser in kleinen Bächen auf, das wurde uns am Eingang auch so erklärt, und immerhin kommt hier das Wasser für die ganze Stadt her – Spoiler: Alles gut gegangen.

Und schon waren wir bei der Lagune. Von hier aus waren es nur noch 20 Minuten bis zum Aussichtspunkt. Der meine Höhenangst übrigens ganz schön gefordert hat, aber nicht schauen gehen kann ich natürlich auch nicht…

Das war schon richtig beeindruckend. Der Rückweg war fast noch anstrengender – so steil runter auf dem sandigen Boden fordert die Oberschenkel ganz schön. Und die Zehen, die wurden auch in Mitleidenschaft gezogen, 4 Blasen und ein kurz-vor-schwarzer Zehennagel. Aber gut, wird schon wieder.

Dafür gönnten wir uns abends eine Pizza im Baumhaus vom Hostel, mit Ausblick auf den Sonnenuntergang am See. Was für ein Leben…

Ein Ausblick auf die Vulkane reicht natürlich nicht. Nein, Madame muss ja RAUF.

Ich genehmigte mir also einen Tag, um zu rasten und mich mental vorzubereiten, und dann ging‘s um 5.45 Uhr morgens los zur Tourcompany, um das Equipment zu packen. Überhose und -jacke, Helm, Gasmaske, Steigeisen, Eispickel (!), und Co. wurden fein säuberlich in den Rucksack gesteckt, so, dass die Erdnussbutter-Marmeladen-Sandwiches möglichst wenig zerquetscht wurden und die Gatorade immer noch gut zugänglich ist. Ja, mittlerweile hab ich aus meinen Fehlern gelernt.

Gestern Abend kam übrigens die böse Überraschung: Natürlich konnten meine Tage nicht 24 Stunden länger warten. Mit Krämpfen im Uterus beschloss ich also, die anderen 3/4 der Gruppe zu begleiten und den Sessellift für die ersten 400 Höhenmeter zu nehmen. Es bleiben ja eh noch 1200-1300 übrig…

Ob das so eine gute Entscheidung war, weiß ich bis heute nicht, der Lift hat mir nämlich auch so einiges abverlangt. Es war windig, recht hoch, ich saß allein da drin und der Sicherheitsbügel steckte irgendwo fest, wo er mir nicht geholfen hat. Der Puls hat sich also schon mal an die kommende Wanderung angepasst.

Wir mussten einiges an Höhe gewinnen, mit einem Rucksack voller Ausrüstung und bis auf über 2800 m Seehöhe steigen. Wir liefen also langsam, in einem Tempo, das perfekt für mich war – nicht zu langsam, doch noch fordernd, aber nicht zu schnell.

Es war von Anfang an recht steil, sandig und felsig, aber recht gut zu gehen. Bald mussten wir das erste Schneefeld überqueren. Am Ende des Schneefelds wartete ein recht großer Schritt bergauf, zurück auf die Felsen. Der Guide vor mir gab mir seine Hand, ich nahm sie dankend an, stieg auf die Felsen, und fiel einfach um. Plötzlich waren die Beine unterm Arsch einfach weg und ich lag da wie ein Käfer. Der Guide zuckte mit keiner Wimper, half mir auf, und meinte „sei vorsichtig hier“. Lachen oder auf ein Loch im Boden hoffen, in das man verschwinden kann?

Noch kurz weiter über Felsen, dann begann der Gletscher und es war Zeit, die Steigeisen anzuziehen und die Eisaxt rauszuholen. Jetzt wurd‘s ernst. Schon irgendwie einschüchternd… Uns wurde gezeigt, wie wir uns verhalten müssten, wenn wir fallen und rutschen, und natürlich wie man richtig mit Steigeisen geht.

Die Füße waren nun natürlich noch schwerer. Wir waren schon seit 3 Stunden konstant bergauf unterwegs, und schön langsam erreichte ich beinahe meine Grenzen. Meine Gebärmutter krampfte noch immer, meine Moral war kurz niedrig, ich kämpfte gegen meine eigene Einstellung, mein Nacken schmerzte vom konstant nach unten schauen… und plötzlich war der Gletscher aus. Wir hatten wieder Felsen unter den Füßen, konnten die Ausrüstung abnehmen, Rucksäcke ablegen und die letzten 20 Minuten bis zum Krater ohne hochsteigen.

Nach gut 5 Stunden wandern waren wir dann dort. Im Krater brummte und dampfte und rauchte es. Immer wieder kam eine Welle von irgendeinem nicht-schwefelhaltigen Gas – wenn man das inhalierte, glaubte man, sofort zu ersticken – also packten wir die Gasmaske drauf und schossen richtige Gangsterfotos.

Die Aussicht war ja auch auf dem Weg schon toll, aber hier am Krater hatte man einen 360° Blick auf die umliegenden Täler, Seen, Hügel, Berge und 7 (!!) andere Vulkane. Ganz zu schweigen von dem, was sich da im Krater abspielte…

Und dann kam der beste Teil: Wir schleppten solche Plastik-Rutschbretter mit, und die waren nun dran. Im Gletscher waren schon Rutschen vorgeformt – uns wurde kurz erklärt, wie man mit dem Eispickel bremst, und ab ging die Post.

Ich hab natürlich nicht gehört, dass wir für die erste Rutsche das Plastik weglassen sollen. Ich war mit einem Karacho unterwegs nach unten, dachte kurz, das war‘s jetzt, ich würde jeden Moment abheben und den ganzen Scheis-Vulkan nach unten segeln. Wie bitte kann man die Kontrolle über ein Plastik-Rutschbrett verlieren? Das sollte ich ja aus Kindheitszeiten noch können, oder?

Nun, ich krachte am Ende der Bahn in meine Wandergefähren, spießte zum Glück niemanden mit dem Eispickel auf und weiter ging‘s zur nächsten Rutsche, die zum Glück weitaus weniger steil und viel kurviger war, damit also auch um einiges langsamer.

Ich stand auf, fiel prompt wieder um – ich bin wohl echt nicht für Schnee gemacht – und genoss den restlichen Weg nach unten.

Was für eine geile Idee ist denn das eigentlich bitte? Können wir das für Zuhause einbürgern?

Ja, es war eine Herausforderung, aber definitiv auch eine der besten Wanderungen meines Lebens. Das war jeden Tropfen Schweiß, jeden Euro und jede Angst wert. Am Ende gönnten wir uns noch ein Bier und – Überraschung – eine Pizza im – Überraschung – Baumhaus vom Hostel, mit Ausblick auf den Sonnenuntergang.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.

de_DE
Nach oben scrollen
WordPress Cookie Notice by Real Cookie Banner