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Die Anden, wie man sie aus Bildern kennt, und das beste Willkommen aller Zeiten

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Argentinien. Was für ein Land.

Die Busfahrt von Valparaíso nach Mendoza war mit Abstand die schönste meines Lebens. Du fährst über einen Bergpass auf fast 3000 m Seehöhe, quer durch die Anden, vorbei am Aconcagua, dem höchsten Berg der Süd- und Westhalbkugel. Außerdem hatte ich ein Semi-Cama gebucht, ohne zu wissen, was das ist – stellt sich heraus, dass man da fast waagrecht liegen kann, ausreichend Platz hat und die Aussicht so auf die beste Art und Weise genießen kann.

Zuerst hatte ich eine ziemliche Panne mit Western Union – so kommt man hier als Nicht-Argentino zu Geld. 250€ habe ich geholt, zum aktuellen Wechselkurs gut 300.000 Pesos, und bekommen habe ich lauter 1000er-Scheine. Mit Ach und Krach und gaaaaanz viel Liebe hab ich den Stapel in meine Tasche bekommen… ich dachte wirklich für einen Moment, ich müsste jetzt um ein Sackerl fragen.

Nun, was macht man in Mendoza? Erstmal anfangen mit einer Walking Tour. Der Guide meinte, dass man sich einige „Ich-war-in-Mendoza-Stempel“ holen könnte: Fußball, Wein, Aconcagua, die Performance vom Springbrunnen, auf den Cerro la Gloria gehen und in das Bewässerungssystem fallen, das durch die ganze Stadt führt und weil Südamerika halt stellenweise einfach ein Loch in der Straße bildet. Bis auf einen hab ich alles geschafft – rate mal, welcher übrig bleibt!

Auf der Walking Tour hab ich eine Österreicherin getroffen, mit der ich dann die nächsten beiden Tage verbracht hab. Mensch, was haben wir gelacht. Aber ich überspring grad so einiges – lass mich von vorn anfangen. Mendoza ist eine tolle Stadt. Sauber, ruhig, schön, sicher, und ein Wald. So viele Bäume hab ich noch nie in einer Stadt gesehen. Anders wär das Klima hier auch kaum auszuhalten, im Sommer sind 40°C ganz normal. Mendoza liegt in einer Wüste, dennoch ist Weinbau ein großer Teil der Wirtschaft hier. Das lösen sie, indem sie das Wasser, wenn der Schnee in den umliegenden Bergen schmilzt, aufstauen und dann gleichmäßig über das Bewässerungssytem verteilen. Das System ist so alt und gut durchdacht, dass weitaus weniger Wasser verwendet wird, als man denkt.

Die andere Österreicherin und ich sind also nach der Walking Tour in ein Restaurant, das Essen zum Kilopreis verkauft, dann auf das teuerste aber mit Abstand geilste Eis meines Lebens und dann noch auf den Cerro la Gloria für eine tolle Aussicht über die Stadt und einen Spaziergang im Park. Dort gibt es auch Workout-Parks mit den lustigsten Maschinen… die die Bauchmuskeln vermutlich mehr durch das Lachen trainieren als durch die Maschine selbst. Immer noch kein Stempel, ich weiß.

Nun, am nächsten Tag geht‘s los: ab in die Weinregion. Wir liehen uns Fahrräder – Bitte die Gangschaltung nicht verwenden, wurde uns gesagt – und starteten die Tour. Als erstes gab‘s für umgerechnet 5€ ein zweites Frühstück bestehend aus Brot, verschiedenen Olivenölen und -aufstrichen, Malbec-Marmelade (mein klarer Favorit), ein übergroßes Glas Rotwein und noch einen Dessertwein im Anschluss. Nein, Radfahren ist danach nicht lustiger.

Die Region, für die wir uns entschieden haben, führte uns mit den Rädern leider hauptsächlich entlang einer Straße, also weniger idyllisch, als man sich das vorstellt, aber dennoch schön. Wir hielten noch bei ein paar weiteren Stopps und probierten verschiedene Weine, bevor wir uns auf den Rückweg machten. Der nächste Stempel wartete auf uns.

Ich war noch nie in meinem Leben auf einem Fußballspiel. Als ich diese Reise geplant hab, dachte ich, ich würd‘s in Argentinien einmal machen – also packte ich die Gelegenheit beim Schopf und guckte Mendoza gegen Cordoba. Frag mich bitte nicht nach den Namen der Teams oder des Spielers, der das Tor geschossen hat. Erste Liga auf jeden Fall.

Kaum hatten wir das Stadion betreten, als Gruppe von 6 Touristen, war auch schon die Presse da und wollte einen von uns interviewen. War wohl doch eine recht lokale Erfahrung, ich hatte mit weitaus mehr Touristen gerechnet.

Latinos wissen definitiv, wie man eine Party feiert. Hier ist es so, dass bei den Spielen keine Zuschauer für das auswärtige Team im Stadion zuschauen dürfen, das hat in der Vergangenheit zu zu vielen Zwischenfällen geführt. Ich weiß nicht, wie viele unterschiedliche Lieder die Leute über ihr Team haben, aber jeder einzelne kann den Text und trällert von ganzem Herzen, es reißt einen schon ein bisschen mit, muss ich zugeben. Die Leute kommen nüchtern, mit Trommeln, Fahnen, Tattoos und Babys. Der jüngste Zuschauer war vermutlich 2 Wochen alt. Kein Wunder, dass hier jeder so verrückt nach Fußball ist, wenn man so aufwächst…

Ich vergaß, dass ein Fußballspiel läuft, vor lauter beschäftigt mit Menschen beobachten. Es spielte sich einfach so viel ab, das war unbeschreiblich. Und wenn ich doch mal auf‘s Spielfeld schaute, waren die Spieler interessanter als der Ball… so ist das halt einfach mal.

Nach der Halbzeit wurde einer der Linienrichter von irgendwas am Kopf getroffen, woraufhin eine Menge Polizisten in voller Montur einmarschierten und das Spiel abgebrochen wurde. Die Fans waren am Boden zerstört, einige hatten Tränen in den Augen – die südamerikanische Leidenschaft ist kein Scherz.

Durch den unglücklichen Zwischenfall und Abbruch des Spiels konnten wir uns aber noch einen weiteren Stempel holen: Das Spektakel mit dem Springbrunnen. Jeden Tag gegen 9 Uhr abends spielt dort Musik und der Springbrunnen „tanzt“ dazu, leuchtet in den unterschiedlichsten Farben. War schon recht nett.

Am letzten Tag entschied ich mich dafür, denselben Weg, den ich aus Chile gekommen war, nochmal zu fahren – ich musste den Aconcagua ohne dreckige Fensterscheibe sehen. Das hier sind die Anden, wie man sie sich vorstellt. Unglaublich weitläufig, unterschiedlich gefärbt, unfassbar hoch und massiv. Die Anden sind das letzte, was entstanden ist, als die Welt zu dem wurde, wie wir sie heute kennen – als sich Pangaea verändert hat und zu den heutigen Kontinenten wurde, als sich die Nazca-Platte unter eine andere schob. Manche der Berge haben helle, schräge Linien – da sieht man die Neigung der tektonischen Platten. Cool, oder nicht?

Wir hielten an einigen Aussichtspunkten, spazierten mit Aussicht auf den Aconcagua, tranken Wasser direkt aus dem Fluss, hielten an einem seltenen Phänomen, an dem mit Schwefel angereichertes Wasser eine gelbe Schicht auf eine natürlich entstandene Brücke legte, und endeten auf gut 4000 m Seehöhe an der früheren Grenze zwischen Chile und Argentinien.

Ich muss zurück nach Mendoza – irgendwann, aber ich muss mehr Zeit dort verbringen und wandern. Aber erstmal ging‘s ab nach Bariloche, weiter in den Süden. Der Flieger war 15€ teurer als der Bus aber gut 17 Stunden schneller. Ich bin halt mittlerweile doch in einem Alter, wo ich über meine Bandscheibengesundheit nachdenken sollte…

Bariloche ist halt auch einfach ein Traum – eine süße, kleine Stadt am nördlichen Ende von Patagonien, die umliegenden Berge sind das, wo es sich abspielt. Von meinem Bett aus konnte ich den Sonnenuntergang über dem See beobachten. Hammermäßig, find ich auch. Man sieht hier definitiv starke Einflüsse aus Österreich, Deutschland und der Schweiz – es gibt Schokoladenspezialitäten, die Architektur ist ähnlich, auch die Natur in gewisser Weise. Aber es sind halt immer noch die Anden…

Ich entschied mich, für eine Nacht auf eine Hütte zu wandern, zur Refugio Frey. Ich fuhr mit dem Bus zum Startpunkt. Erstmal ging es ein gutes Stück recht flach entlang eines Berges, mit Ausblick auf Bariloche und die umliegenden Seen und Berge – ich war völlig begeistert von der Aussicht und super gespannt auf das, was noch kommen wird. Ich hab bewusst vorher keine Bilder angeschaut.

Der Weg führte mich in einen dichten Wald, gelbe Blumen überall, vorbei an Wasserfällen und Bächen, an denen ich mit meiner Filter-Wasserflasche ohne jegliche Sorge meine Vorräte auffüllen konnte. Zur Stärkung gab es Burgerbrötchen (die kleinste Packung Brot, die ich gefunden hab) mit Erdnussbutter und Marmelade, die ich beim Hostelfrühstück mitgehen hab lassen. Herrlich.

Dann ging‘s aufwärts – und irgendwann wurde der Wald dann weniger dicht, ich kam näher an die Baumgrenze, und sah die felsigen Gipfel überall um mich herum. Die letzten Höhenmeter waren ganz schön anstrengend, es war richtig heiß, aber schließlich konnte ich die Hütte sehen und den See dahinter, der türkisblau im Sonnenlicht schimmerte.

Ich suchte mir einen ruhigen Platz am See, holte mein Buch raus, damit ich es nicht umsonst den ganzen Weg mitgeschleppt hab, und las ein paar Seiten. Der Gedanke an den See hier ließ mir aber keine Ruhe – ich würde es so bereuen, wenn ich jetzt nicht baden würde… also riss ich mir kurzerhand die Klamotten vom Leib und sprang in Unterwäsche rein. Nein, bitte spring nicht – das Wasser ist vielleicht knie- bis hüfttief. Ich ging also und legte mich dann gute 10 m entfernt vom Ufer ins Wasser. Es war kalt, aber die Sonne knallte richtig runter und das Wasser tat meinen müden Beinen richtig gut.

Der Sonnenuntergang war spektakulär – Die Gipfel leuchteten orange, es war leise und nahezu windstill.

Kurz danach legte der Wind aber los – ich lag in meinem Schlafsack, eingepfercht zwischen einer Wand, dem 70+ jährigen Mann an meiner Seite (ja, er war natürlich die einzige Person im Lager, die geschnarcht hat, was hab ich immer für ein Glück…) und einer Person auf dem Boden direkt vor meinem Bett; der Wind rüttelte die Hütte ganz schön durch, man konnte es nicht nur hören, sondern auch spüren.

Ich wachte gerade richtig auf, um den Sonnenaufgang zu sehen. Ich zog alle meine Schichten an, trotzdem war es bitterkalt, der Wind hat kaum nachgelassen. Die Aussicht war es auf alle Fälle wert, rauszugehen, aber ich wartete dann doch lieber in der Hütte aufs Frühstück. Durch‘s Fenster konnte ich sehen, die die Gipfel wieder orange leuchteten, aber diesmal sanfter, nicht so stark als beim Sonnenuntergang.

Schließlich musste ich zurück. Ich war die meiste Zeit allein, weil Montag war und weitaus weniger Menschen die Wanderung als Tagestrip oder über Nacht machten. Ich lauschte den Geräuschen des Waldes, hoffte, nicht zu stolpern, machte eine kurze Siesta auf einem Baumstamm und kam gerade rechtzeitig im Tal an, als der Bus abfuhr.

Es war mir vor der Wanderung nicht klar, aber ich brauchte das – diese 1.5 Tage allein zu wandern, baden, lesen, mitten in den Bergen, die Ruhe… einfach schön.

Die nächsten Wochen sind mittlerweile fast völlig durchgeplant. Die Preise und der starke Tourismus hier lassen nicht wirklich Spielraum für Fehler, ich werd auch eher schneller reisen müssen. Ich kann also nicht sagen, wann du hier wieder von mir hörst – aber du wirst von mir hören 🙂 Bis dahin, mach‘s gut!

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