Feb, 2024
Es sind nur noch 3 Tage bis zu meiner Reise nach Neuseeland. 3 Tage bis zur Reise meines Lebens, bisher zumindest, und ich kann es kaum erwarten. Ich saß auf dem Sofa in der Wohnung meiner Schwester als mein Handy vibrierte. „Ihr Flug wurde annulliert“.
Warte mal, wie bitte? Das muss wohl Spam sein oder ein blöder Scherz. Ich weiß, dass an deutschen Flughäfen gerade gestreikt wird aber noch heute Morgen hatte ich eine Mail bekommen, dass meine Flüge wie geplant stattfinden würden. Ich checkte meine Mails nochmal und sah eine neue, die das selbe sagte: Ihr Flug wurde annulliert.
Ich klickte auf den Link in der Mail in der Hoffnung auf Unterstützung und Klarheit und vor allem, dass mir jemand sagte, dass das ein Fehler war und dass mein Flug normal abheben würde. Ich wurde zu einem ChatBot weitergeleitet, einem ziemlich schlechten noch dazu, der mir immer wieder sagte man könne mir nicht helfen.
Anstatt die Zeit mit meiner Schwester und unserem Hund zu genießen rief ich also bei der Airline-Hotline an und wartete. Und wartete, und wartete, und wartete. 90 Minuten später erreichte ich einen netten Mann der mir bestätigte, dass wohl ein Fehler passiert war und meine Flüge bei ihm ganz normal angezeigt werden. „Warte“, meinte er als ich gerade auflegen wollte, „Mein Bildschirm hat sich gerade aktualisiert. Es tut mir leid, Ihr Flug wurde wohl tatsächlich annulliert“. Er könnte mich auf einen anderen Flug umbuchen, 2 Tage später und um 2100€. Das war mehr, als ich für meine Hin- und Rückflugtickets zusammen bezahlt hatte.
Ich war verzweifelt. Aber auch im Problemlöse-Modus. Ich saß an meinem Computer und gab mein Bestes, einen Alternativflug zu finden. Logischerweise konnte ich nicht einfach einen Bus nehmen und nach wenigen Stunden am anderen Ende der Welt ankommen. Ich suchte Flüge ab allen Flughäfen im Umkreis von 3 Stunden. Alle Flüge, die mir angezeigt wurden, waren 1) krass teuer, 2) mit Zwischenstopp irgendwo in Deutschland (die alle von Streiks betroffen waren), oder 3) erst 2 oder mehr Tage später.
Ich stellte mich mental darauf ein, eine Entscheidung treffen zu müssen. Eine teure Entscheidung, welche ich auch immer treffen würde. Würde ich einen dieser Flüge buchen oder würde ich auf meine Reise verzichten?
Ich bin wirklich nicht religiös, aber hier hatte ich einen Moment. Es erschien ein kleines Popup in Google Flights mit dem Hinweis, dass es eventuell einen Flug ab Zagreb für mich geben könnte. Aus unerklärlichen Gründen hatte ich an Zagreb als Abflughafen noch nicht gedacht, also klickte ich auf den Link im Popup und sah, dass es einen Flug um nur 807€ gab, mit dem ich nur etwa 12 Stunden später in Neuseeland ankommen würde, also würde ich einfach im Flieger schlafen anstatt im Hotel. Einziges Manko, das mich abhielt, sofort zu buchen: 26 Stunden Zwischenstopp in Doha, Katar. Ich wusste, wenn ich nach Neuseeland will, muss ich diesen Flug jetzt buchen. Es war kurz vor Mitternacht, ich musste am nächsten Tag noch arbeiten und ich wollte wirklich nach Neuseeland. Also tat ich es. Ich buchte den Flug und überließ den Rest dem nächsten Tag.
Am nächsten Morgen checkte ich die Flüge erneut. Die Preise stiegen auf das Doppelte oder mehr im Vergleich zu dem, was ich bezahlt hatte. Hätte ich gewartet, würde es keinen Weg mehr geben, dass ich es nach Neuseeland schaffe, worauf ich mich seit Monaten so gefreut hatte.
Okay, Doha also. Ich wusste einigermaßen, wo das ist. War ich mir sicher, dass ich es richtig auf einer Landkarte anzeigen könnte? Absolut nicht. Ich hatte null Plan von diesem Land, also startete ich die klassische Google-Recherche und sah mir erstmal Fotos an. Erinnerte mich stark an Dubai oder eben meine Vorstellung davon, nur ein bisschen – oder viel – weniger touristisch.
Ich hatte keine Ahnung, worauf ich mich eingelassen hatte, und glaub mir, das hat was zu bedeuten. Ich will alles sehen, was diese Welt zu bieten hat, mit sehr wenigen Ausnahmen. Eine dieser Ausnahmen ist Nordkorea.
Die Recherche ging weiter. „Ist es sicher, alleine als Frau nach Doha zu reisen?“. „Was zieht man als Frau in Katar an?“. „Brauche ich ein Visum für Katar?“. Ich studierte gefühlt jeden einzelnen Post von alleinreisenden Frauen in dieser Gegend. Mit gemischten Gefühlen – die Erfahrungen, die in diesen Artikeln beschrieben waren, waren sehr gemischt. Wie halt auch alles andere. Trotzdem überwiegend positiv oder zumindest ohne größere Zwischenfälle. Gut.
Ich buchte ein Hotel. Alle Hostels hatten sehr schlechte Bewertungen oder waren ausgebucht, also bezahlte ich 150€ für eine Nacht irgendwo im Zentrum der Stadt. Wenn du schon jemals mit dem Rucksack unterwegs warst, dann weißt du vermutlich, dass ich durchschnittlich 10-20€ pro Nacht ausgebe, je nachdem, wo ich bin. Das tat ganz schön weh.
Ich recherchierte und las noch bis spät in die Nacht, arbeitete am Tag darauf und packte direkt danach meinen Rucksack. Ich ersetzte eine Leggings gegen eine einigermaßen stadttaugliche Jogginghose, damit ich etwas Angemessenes für Doha hatte. In der letzten Sekunde quetschte ich noch einen dünnen Schal rein, für den Fall, dass ich eine Moschee besuchen würde.
Der Qatar Airways-Flug war göttlich. Ich hatte Beinfreiheit, mehr als genug Platz für mein Gepäck und wurde mit dem besten Essen gefüttert, das ich bisher in einem Flugzeug gegessen hatte. Ich setzte mich ins erstbeste Taxi, aktivierte meine SIM und staunte über die bunt beleuchteten Straßen, die überraschend leer waren.
Als ich beim Hotel aus dem Taxi stieg, wurde es plötzlich hektisch. Der Taxifahrer sprang aus dem Auto, um mir die Tür zu öffnen. Ein anderer Mann sprintete um die Ecke und schleppte mein Gepäck in die Lobby. Ich sprach mit noch einem anderen an der Rezeption, wieder ein anderer brachte mein Gepäck auf mein Zimmer. Nochmal ein anderer Typ begleitete mich zum Aufzug und der letzte hielt meine Schlüsselkarte an und öffnete mit die Zimmertür. Ich war ohne Worte.
Ich quetschte mich mit einem älteren Pärchen in den Aufzug, die wohl aus einem arabischen Land stammten. Ich war mir unsicher, ob es okay wäre, mit ihnen Lift zu fahren, oder ob ich besser warten sollte, aber beide lächelten mir zu und winkten mich rein. Der Mann fragte mich, in welches Stockwerk ich wollte, und drückte den Knopf für mich. Ich war zwischen dem Paar eingeklemmt und starrte höflich auf den Boden. Die Frau seufzte und fuchtelte neben mir herum, bis ich irgendwann aufsah um zu checken, dass es ihr gut geht oder ob ich vielleicht etwas falsch gemacht hatte, als der Lift stehen blieb. Sie lächelte das netteste Lächeln und sagte in gebrochenem Englisch etwas das ich als „Schönen Aufenthalt in unserem Land“ verstand.
Das Zimmer war größer als meine Wohnung zu Hause, ich übertreibe nicht. 55 Quadratmeter, ich fragte den Rezeptionisten beim Check-Out. Es gab keine Lampen an der Decke, aber dafür eine Badewanne und eine Dusche, zwei Waschbecken und eine Toilette mit Bidet. Zwei Schreibtische und einen kleinen Kühlschrank gefüllt mit Wasser, Wein und Snacks. Ich duschte und fiel ins Bett – nachdem ich es endlich von den vier Decken und weiß Gott wie viele Kissen befreit hatte.
Mitten in der Nacht wurde ich geweckt von etwas, das sich anhörte, als würde jemand mit einem Megafon neben meinem Bett stehen und mir ins Ohr schreien und viel prompt aus dem Bett. Als ich mich schließlich endlich erinnern konnte, wo ich war und was hier abging – es war natürlich der Gebetsruf – schaute ich auf die Uhr. 4 Uhr morgens. Sofort traf ich die Entscheidung, länger zu schlafen und einen netten, langsamen Morgen zu genießen.
Das war Hut ab der chaotischste Start einer Reise bisher. Am Ende ging alles gut. Ich war neugierig, was Doha zu bieten hatte und konnte es kaum erwarten, endlich in Neuseeland anzukommen und den „steig nach 18 Stunden aus dem Flieger aus und direkt in ein Mietauto und fahr zum ersten Mal auf der falschen Straßenseite“-Moment hinter mich zu bringen.